Ultra Stainless, Multi Purpose - Spyderco SpydieChef LC 200 N (2024)

Moin,

es gibt immer ein oder zwei Gründe, ein Messer zu kaufen oder eben auch nicht. Hier sind es ein paar mehr. Zunächst ist das SpydieChef eine Kooperation von Spyderco und Marcin Slysz. Die zwei, die es schon gibt - das Techno und das Slysz-Bowie - befinden sich seit längerem in meinem Besitz. Und das ist auch gut so! Es ist also nur konsequent, Nummer 3 unter die Lupe zu nehmen - was ich im Verlauf dieses Reviews gewohnt ausführlich tun werde Ultra Stainless, Multi Purpose - Spyderco SpydieChef LC 200 N (1)

Das SpydieChef wurde von Marcin mit der Intention designt, die ergonomischen Eigenschaften eines Kochmessers mit einem EDC zu verheiraten. Als Stahl kommt bei seinem Custom RWL-34 zum Einsatz. Spyderco hat sich dagegen für den höchst korrosionsbeständigen LC 200 N entschieden, der sich zudem durch eine sehr gute Zähigkeit auszeichnet.

Das Messerchen kommt extrem scharf aus der Box. Wie das Gayle Bradley I. Mit einem ähnlich angenehmen Gesamtschneidenwinkel, den ich bei rund 25 Grad verorte. Auch hinter der Wate mit 0,40 mm weniger als z.B. beim Para Millie 2. Völlig ohne Druck fliegen die Haare vom Arm oder Handrücken. Schnitte in labberiges Papier sind die reinste Freude.

Die Hand findet auf Anhieb die passende Haltung. Es ist reichlich Platz, der Griff sehr schlank mit rundum gebrochenen Kanten. Nur die Klinge ist scharf Ultra Stainless, Multi Purpose - Spyderco SpydieChef LC 200 N (2) … Einziger Wehrmutstropfen - der Lock ist etwas sticky (und das ist bei mir wohl keine Ausnahme). Sehr ungewohnt für einen Klapper aus Taichung. Aber das gewöhne ich ihm schon noch ab.

Zunächst zur Geschichte des LC 200 N

Anfang der 90er Jahre wurde in einem gemeinsamen Forschungsprojekt der VSG Energie und Schmiedetechnik GmbH in Essen, der fa*g AG, Schweinfurt und der Uni Bochum Cronidur 30 für Wälzlager in der Flugzeug- und Raumfahrtindustrie entwickelt.

Die Flugzeugindustrie verwendet das Material schon seit einigen Jahren, insbesondere in Verstellantrieben von Flugzeuglandeklappen und für Lager der Hauptantriebswellen großer Flugzeuge.

Quelle: Industrieanzeiger

Eine entscheidende Bewährungsprobe waren die Treibstoffpumpen der US-Spaceshuttles, wo nur flüssiger Sauerstoff bzw. Wasserstoff als Schmierstoff zur Verfügung steht. In Tests überstanden die CRONIDUR®-30-Lager mehr als vierzig Startzyklen, während die bisherigen Modelle nach jedem Start ausgetauscht werden mussten.

Auch in puncto Korrosionswiderstand sprechen die Tests deutlich für stickstofflegierte martensitische Stähle. Im Salzsprühnebeltest zeigte die Oberfläche des Stahls AISI 440C sichtbare Korrosionsnarben, während CRONIDUR® 30 keinen Korrosionsangriff aufweist.

Quelle: Energietechnik Essen

Spyderco und LC 200 N

Auf der Suche nach salzwasser-resistentem Stahl stieß Spyderco auf Cronidur 30, aber es gab Beschaffungsprobleme aus patentrechtlichen und Knappheits-Gründen (so gut wie der gesamte Bestand ging derzeit an die NASA). Stahl der Wahl wurde in der Folge zunächst H1, der zwar gut rostbeständig ist aber von der Schnitthaltigkeit her nicht sonderlich überzeugt.

Zapp brachte ein Derivat von Cronidur 30 mit dem Namen LC 200 N auf den Markt. Alpha Supply in den USA wurde darauf aufmerksam und bot ihn 2014 auf dem amerikanischen Markt an. Man einigte sich allerdings mit Zapp auf einen anderen Namen: Z-FiNit, (Zapp Fine grain Nitrogen steel).

Ergo: Cronidur 30 = LC 200 N = Z-FiNit

Quelle: Alpha Knife Supply

Neben einigen Custom-Messerbauern nahm Spyderco LC 200 N ins Programm. Außer dem Mule Team 25 wurden bisher das Tusk, Carribean, Native 5 Salt und eben das SpydieChef mit Klingen aus diesem Stahl produziert.

Die Rückmeldungen von Messerbauern und Usern sowie die Einschätzungen der Stahl-Experten sind durchweg positiv.

Eigenschaften von LC 200 N

„LC 200 N ist ein druckaufgestickter Eisen-Chrom-Molybdän-Werkzeugstahl, der sehr korrosionsträge ist und überragende Zähigkeiten bei Härten bis zu 60 HRC besitzt. Durch die Kombination des DESU-Verfahrens (Druck Elektro Schlacke Umschmelzen) mit einer ausgefeilten Schmiedetechnik, wird ein extrem hoher Reinheitsgrad bei feiner und gleichmäßiger Gefügeausbildung erreicht. Dies bedeutet eine exzellente Zerspanbarkeit bei überragender Polierfähigkeit und hoher Maßstabilität nach der Wärmebehandlung. LC 200 N ist deshalb die ideale Lösung für biegebeanspruchte oder bruchgefährdete Werkzeuge und Maschinenkomponenten, die in Kontakt mit hoch korrosiven Medien stehen. Gegenüber den häufig verwendeten Werkzeugstählen 1.2316, 1.4112 und 1.4145 bietet LC 200 N neben einer deutlich höheren Korrosionsträgheit und Zähigkeit, eine Anlassbeständigkeit bis zu 500 °C bei Härten von bis zu 58-60 HRC.“

Quelle: Zapp

„At HRC 59 the steel performs well. The performance is better than 52100. Because it is a nitrogen stainless steel, the corrosion resistance is excellent, far surpassing 440C. The toughness is excellent. Do not be afraid to grind the blade edge very thin. In our experience, the edge does not chip.“

Quelle: Alpha Knife Supply

Roman Landes hat Cronidur 30 im Jahr 2006 hier im messerforum wie folgt charakterisiert:

„Well, Cronidur 30 is a nitrogen alloy steel.
After HT it has a very high (exceptional) corrosion resistance.
Due to the fine structure of the nitrides and carbides prior and after correct HT, it will take a rather fine edge and allow slim blade geometry and is easy to sharpen compared to the high alloy stuff, known.
HT has to be done professionally
The toughness potential is high, at maximum hardness for blades up to 57/ 58 HRC (medium) so there is also a good impact resistance given for blades

Resumee:
Where you need the high corrosion resistance, fine edges and blade geometries, Cronidur 30 preforms very well in the medium hardness sector.
So good kitchen knifes, diving knifes, camp knifes with low to medium impact loads seem most suitible applications.

In seinem Buch auf Seite 161 finden wir unter den Kennfeld-Datenblättern Cronidur 30. Im Vergleich mit anderen Stählen ist dessen

O Verschleißbeständigkeit besser als 1.3505
O Schneidkantenstabilität etwas geringer als 1.3505, aber besser als RWL-34
O Zähigkeit etwa auf dem Niveau von 1.3505 oder 1.2842
O Schärfbarkeit besser als RWL-34 & 1.2562

Zur Zähigkeit von Cronidur 30 aka LC 200 N aka Z-FiNit

Larrin Thomas schreibt in seinem Blog:

„… 14C28N, Nitro-V, and Cronidur 30 likely have significantly better toughness due to the small volume of very small carbides/nitrides. I have tested Cronidur 30 as Z-Finit and it did very well for toughness, and 14C28N is likely similar to AEB-L which is the highest toughness steel I have yet tested:“

Die folgenden Grafiken habe ich mit freundlicher Genehmigung von Larrin aus knifesteelnerds übernommen. Die erste zeigt auf der Basis verschiedener Härtegrade die Zähigkeit der von ihm untersuchten Stähle und wo Z-FiNit (LC 200 N) in Relation einzuordnen ist.

Ultra Stainless, Multi Purpose - Spyderco SpydieChef LC 200 N (3)

Um Mißverständnissen vorzubeugen - bei Cruwear handelt es sich hier um die erschmolzene Version, nicht um die pulvermetallurgische Variante CPM Cru-Wear, dessen Toughness deutlich höher angesiedelt ist.

Zum Vergleich - bei einer Härte von 60 HRC beträgt der Wert bei CPM 4V 50, CPM Cru-Wear 60 und CPM 3V 70 ft-lbs.

Gefügebilder und Salzsprühtest

Diese beiden Gefügebilder von Cronidur 30 und 440B zeigen sehr anschaulich den Unterschied der Karbid- / Nitridgrößen, die sich förderlich auf die Zähigkeit, Schneidkantenstabilität und gute Schärfbarkeit von Cronidur 30 auswirken.

Ultra Stainless, Multi Purpose - Spyderco SpydieChef LC 200 N (4)

Weitere Gefügebilder von Cronidur 30 im weichgeglühten sowie gehärteten und angelassenen Zustand (59 HRC) finden sich auf Seite 11 dieses sehr umfangreichen und informativen Datenblatts der Werkstofftechnik Essen. Auf Seite 14 dazu eine eindrucksvolle bildliche Gegenüberstellung von Cronidur 30 und 440C nach Salzsprühtest.

Stickstoff als Legierungselement

„Typical carbon-chromium steels are difficult to design with both high hardness and high corrosion resistance because carbon and chromium tend to form carbides. Those carbides reduce hardness and corrosion resistance because the carbon and chromium need to be “in solution” to improve hardness or corrosion resistance. Nitrogen also increases hardness of steel in a similar way to carbon but is not as likely to form a compound with chromium and therefore steels with high hardness and corrosion resistance can be made. Conventional air melting of steel is limited in terms of how much nitrogen can be added because nitrogen has low solubility in liquid steel. There are still a few steels with <0.2% nitrogen made with air melting such as 14C28N, BD1N, N680, and Nitro-V. Pressurized Electroslag Remelting allows the alloying of steel under high pressure which allows more nitrogen to be added to steel and Cronidur 30 was designed to utilize this technology.“

Quelle: Knifesteelnerds

Das SpydieChef im Gebrauch

Am ersten Tag habe ich mir ein paar Eukalyptus-Hölzchen genommen, Rinde abgeschält, angespitzt, kleine Äste weggeschnitten. Das geht gut von der Hand. Keine Hotspots und insgesamt gut tauglich für solcherlei Angelegenheiten. Auch der Schärfe tut es keinen Abbruch. Am nächsten Tag mal bissi was eingekauft: Möhren, harten Apfel, rote Paprikaschote, Cheddar-Käse, Koreander. Für einen Salat - die Möhren als Testobjekte.

Apfelschälen ist nicht unbedingt das Metier des SpydieChef. Es spritzt zwar so gut wie nicht oder bremst sonderlich, aber die für das Schälen erforderliche Handhaltung und die bauchige Klinge machen es eher krampfig. Das Halbieren, Vierteln und Würfeln geht deutlich besser von der Hand und hinterläßt erfreuliche Resultate.

Auch das Aufschneiden und Würfeln der Paprika kein Problem. Zugschnitt auf dem Brett geht prima. Und dann Wiegeschnitt und Hacken beim Koreander. Hier ist das SpydieChef in seinem Element. Den sehr zähen Cheddar schneidet und würfelt es einwandfrei ohne steckenzubleiben. Fertig ist der Salat Ultra Stainless, Multi Purpose - Spyderco SpydieChef LC 200 N (5)!

Zum Schluß der Möhren-Test. Sie werden sauber mit glatter Schnittfläche geschnitten und nicht gespalten. Es knallt leicht auf dem Brett. Es sind ja auch 3 mm am Ende und 0,40 mm hinter der Wate. Insgesamt meistert das SpydieChef seinen Küchenauftrag problemlos. Die Rasurschärfe ist nach wie vor unverändert. Der Schneide auch bei senkrecht aufscheinender Sonne absolut nichts anzusehen.

So weit für heute …

Spyderco SpydieChef LC 200 N

Zapp LC 200 N: C: 0,30 Cr: 15,00 Mo: 1,00 Mn: 1,00 max. Ni: 0,50 max. N: 0,50 max.

Gesamtlänge: 198 mm
Länge geschlossen: 115 mm
Klinge: Zapp LC 200 N, Flachschliff, Distal Tapered Blade
Klingenlänge: 83 mm (88 mm scharf, die Schneidfase entlang gemessen)
Klingendicke: 2,95 mm
Klingenhöhe: 32 mm max.
Linerlock
Griffmaterial: 3,1 mm Titan
Griffstärke: 10 mm (max. 15,5 mm inkl. Clip)
Griffhöhe: Max. 27,3 mm in der Griffmitte
Bronze Washer
Deep Carry Clip: Tip up (rechts und links montierbar)
Spyderhole: 12 mm
Fangriemenöse: 5 mm
Gewicht: 109 Gramm
Design: Marcin Slysz
Produktionsdatum: Januar 2019
Made in Taichung Taiwan

Zur Tribüne hier entlang ...

Die Jukebox mit Rory Gallagher – „Bullfrog Blues

Aus sunny Monte Gordo, R’n’R

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